Mit Bauten das Klima schützen? Ingenieur Christoph Langenberg sagt, wie's geht

5. Februar 2020

Bauten sollten – gerade in den Bergen – nachhaltig und ressourcenschonend sein. Christoph Langenberg, Leiter Planung und Entwicklung von Andermatt Swiss Alps, erklärt, was der Dorfteil Andermatt Reuss zum Klimaschutz beitragen kann. 

Christoph Langenberg ist von Haus aus Ingenieur. Mit dem Begriff «Nachhaltigkeit im Bauwesen» hat der sportliche Mann mit der schwarzen Funktionsjacke so seine Mühe. Nicht, weil ihm Nachhaltigkeit nichts bedeuten würde. Im Gegenteil.  

Aber: «Der Begriff wird oft missbraucht», bemerkt er. Alles sei heute «nachhaltig», aber was bedeutet das schon? Langenberg tritt lieber den Beweis an, dass das, was er macht und begleitet als Leiter Planung und Entwicklung bei Andermatt Swiss Alps, einen ökologisch möglichst kleinen Fussabdruck hinterlässt. 

Christoph Langenberg, Leiter Planung und Entwicklung von Andermatt Swiss Alps bei der Treppe in Andermatt Reuss

Der Begriff Nachhaltigkeit wird oft missbraucht.

Christoph LangenbergLeiter Planung und Entwicklung Andermatt Swiss Alps

Seit 2007 arbeitet er für das Tourismusunternehmen im Urserntal und kennt das Projekt, die Immobilien und Anlagen in- und auswendig. Wahrscheinlich kennt sie niemand so gut wie er. Langenberg weiss deshalb auch ziemlich genau, wo das Projekt Kriterien erfüllt, die der Nachhaltigkeit zugerechnet werden können.

Nachhaltig dank lokaler Wirtschaft

«Meine Philosophie als Verantwortlicher für die Planung und Entwicklung der Bauten von Andermatt Swiss Alps ist es, das zu machen, was möglich ist und Sinn macht», sagt Langenberg. Aus seiner Sicht ist es wichtig, beim Bauen zuerst die lokale Wirtschaft und Unternehmen aus der Region zu berücksichtigen.

Nicht nur, weil der Anfahrtsweg für diese Unternehmen kürzer ist und damit CO2 eingespart werden kann, sondern auch, weil sie wissen, was auf dieser Höhe und den klimatischen Bedingungen funktioniert. Zudem verpflichten sich diese Unternehmen zu Qualität und Langlebigkeit ihrer Materialien: «Das ist für mich effektive Nachhaltigkeit», erklärt Langenberg.

Lieferkette muss überprüfbar sein

Langenberg weiss ganz genau, welche Materialien aus der Region in welchen Bereichen des Dorfteiles verwendet wurden. Und er verzichtet bei bestimmten Baumaterialien bewusst auf Lieferanten aus Ländern wie zum Beispiel China, weil er deren Lieferkette eben nicht überprüfen kann.

Zudem kennt er nicht nur die Berichte zur Umweltbaubegleitung, die zu Andermatt Swiss Alps erstellt wurden, sondern auch die Details der Wärmerückgewinnung in jedem einzelnen der Mehrfamilienhäuser. «Das verleiht uns Glaubwürdigkeit», ist Langenberg überzeugt.

Wie eine Stadt gebaut

Langenberg wäre nicht der Praktiker und Überprüfer – der Ingenieur, der immer schaut, ob etwas seinen Kriterien standhält – wenn er nicht auch mit Zahlen argumentieren und vergleichen würde: «Andermatt Swiss Alps ist sehr verdichtet gebaut», sagt er.

Das, was in vielen Städten bereits praktiziert werde, gelte exemplarisch auch für den Dorfteil Andermatt Reuss auf gut 1’400 Metern über Meer: Weniger Häuser, dafür mehr Volumen pro Baute. Dahinter steckt die Idee, dass grössere Volumen nicht nur weniger Energie verbrauchen, sondern auch weniger Grund und Boden verbrauchen.

Im Buch Stadtplanung in den Alpen, Strategien zur Verdichtung von Bergorten geht die Architektin Fiona Pia von der EPFL der Frage nach, wie sich verschiedene Gebirgsorte entwickeln.

(…) das komplexe Projekt von Andermatt Swiss Alps, welches von den Medien als ‘gigantisch’ oder ‘pharaonisch’ qualifiziert wird, (ist) nicht nur das rationellste Modell, sondern darüber hinaus jenes, das der Gebirgsnatur den geringsten Schaden zufügt.

Fiona Piaim Buch Stadtplanung in den Alpen

Im Dorfteil Andermatt Reuss sind denn auch nur wenige Chalets geplant. «Neben den 42 Wohnhäusern mit insgesamt rund 500 Wohnungen werden nur 28 Chalets gebaut, das sind lediglich vier Prozent der gesamten Nutzfläche des neuen Dorfteils», erklärt er. 

In anderen alpinen Bebauungen nimmt das freistehende Chalet hingegen den Grossteil der Fläche ein. So stehen in Verbier beispielsweise heute rund 2’000 Chalets, die über 60 Prozent der gesamten Nutzfläche belegen. 

Andermatt: Das rationellste Modell  

Diese Zahlen entstammen einer Studie zur Raumplanung in den Alpen. Im Buch, das den Titel Stadtplanung in den Alpen trägt, heisst es auch, dass das komplexe Projekt von Andermatt Swiss Alps, welches zuweilen als «gigantisch» oder «pharaonisch» qualifiziert werde, im Vergleich mit anderen nicht nur das rationellste Modell sei, sondern darüber hinaus jenes, «das der Gebirgsnatur den geringsten Schaden zufügt». 

Das macht Langenberg ein bisschen stolz. Aber er weiss natürlich auch, dass nicht selbstverständlich ist, was in Andermatt entstanden ist und noch entsteht: «Für den ägyptischen Tourismus-Unternehmer Samih Sawiris war es sicher keine einfache Entscheidung, sich bedingungslos allen bautechnischen Vorschriften und planerischen Einschränkungen zu unterwerfen. Aber die ökologischen Anliegen sind ihm sehr wichtig», weiss Langenberg. 

Der strikte Gestaltungsplan, den die Urner Regierung dem Projekt auferlegt habe, sei letztlich das Glück von Andermatt, ist Langenberg überzeugt. Ein grosses Chaletdorf mit geteerten Zufahrtsstrassen wird es hier nie geben. Dafür legt Christoph Langenberg stellvertretend für seinen Chef Samih Sawiris die Hand ins Feuer.  

Lesetipp Stadtplanung in den Alpen

Im Buch Stadtplanung in den Alpen, Strategien zur Verdichtung von Bergorten geht die Architektin Fiona Pia von der EPFL der Frage nach, wie sich verschiedene Gebirgsorte entwickeln. Sie vergleicht die Ortsstrukturen von Andermatt, Avoriaz, Verbier, Zermatt und Whistler-Blackcomb in Kanada. Dank grafischer Analysen sind die Unterschiede sehr gut erkennbar. Pia formuliert Strategien zur städtebaulichen Verdichtung und zur Mobilität, die sich auf andere Tourismusregionen übertragen lassen. Stadtplanung in den Alpen. Das Buch hat 189 Seiten und ist im Januar 2019 im Birkhäuser Verlag erschienen. 

Im Buch Stadtplanung in den Alpen, Strategien zur Verdichtung von Bergorten geht die Architektin Fiona Pia von der EPFL der Frage nach, wie sich verschiedene Gebirgsorte entwickeln.

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